Deutsche Fahrlehrer-Akademie e. V.: Rückblick auf die Anfänge und das Werden IV
Artikel aus Newsletter Ausgabe 9, April 2011
Am 1. Januar 1999 trat als Folge der Zweiten EG-Führerscheinrichtlinie die „Jahrhundertreform“ des Führerscheins in Kraft. Bevorstehende Neuerungen dieses Ausmaßes sind immer willkommene Aktionsfelder für Pessimisten, an denen es in den Monaten und Wochen vor dem Stichtag keinen Mangel gab.
Doch schon kurze Zeit nach dem großen Glockenschlag, der mit politisch bedingter Verspätung endlich auch in Deutschland die Ära des europäischen Führerscheins eingeläutet hatte, waren die Alarmrufe verstummt. Die Gesetzesmacher hatten gute Arbeit geleistet und dabei an alles Wichtige gedacht. Fahrschulen, Führerscheinbehörden und Prüforganisationen gaben ihr Bestes, um Reibungen zu vermeiden. Schon im März 99 feierte die Fachpresse den reibungslosen Übergang ins neue Recht mit Schlagzeilen wie: „Es klappt! – Danke!“ Ein Strahl des Glanzes fiel auch auf die DFA: Zwei Mitglieder des Vorstandes hatten im sogenannten Umsetzungsausschuss des Bundesverkehrsministeriums mitgewirkt. In den Beratungen hatten sie vor allem die praktischen Auswirkungen geplanter Rechtssetzungen auf die Führerscheinbewerber ins Visier genommen.
Müssen es drei Tage „am Stück“ sein?
Die bis dahin freiwillige Fortbildung der Fahrlehrer wurde durch die Novelle zum Fahrlehrergesetz vom 24. April 1998 ab 1. Januar 1999 zur Pflicht. Die stringente Regelung, nach der die im Turnus von vier Jahren fällige Fortbildung an drei aufeinanderfolgenden Tagen zu besuchen war, gefiel nicht allen Fahrlehrern. Die Fahrlehrerverbände von Rheinland-Pfalz baten deshalb das zuständige Landesministerium, den dreitägigen Blockunterricht in drei einzelne Unterrichtstage aufteilen zu dürfen. Ihre Begründungen hatten etwas für sich: zeitnahes Eingehen auf Neuerungen und Veränderungen, Entflechtung der zeitlichen und wirtschaftlichen Belastung der Fahrschulen. Die Landesregierung stimmte einer wissenschaftlichen Untersuchung darüber zu, ob eine Aufteilung mit den angestrebten Zielen der Pflichtfortbildung vereinbar sei. Die Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V. bat daraufhin die DFA, die Untersuchung durchzuführen. Nach akribischen Recherchen legte der die Untersuchung leitende Professor Gerd Sackmann, Stuttgart, Anfang 2003 eine umfassende DFA-Dokumentation vor. Daraus ging eindeutig hervor, dass von einer Splittung des Unterrichtsblocks kein nachteiliger Einfluss auf die Effizienz der Fortbildung ausgehen würde. Knapp zwei Jahre später wurde das Fahrlehrergesetz in diesem Sinne geändert, allerdings mit der Maßgabe, dass bei Aufteilung ein zusätzlicher Fortbildungstag, also insgesamt vier, zu besuchen sind.
DFA-Symposion: Das pädagogische Profil des Fahrlehrers – Anforderung in Gegenwart und Zukunft
Das Ringen der organisierten Fahrlehrer um angemessene Zugangsvoraussetzungen für den Beruf reicht weit in die 50er-Jahre zurück. Viele vernünftige Anläufe waren mit Verweis auf Artikel 12 des Grundgesetzes abgeschmettert worden. Auch als 1969 die Berufsordnung der Fahrlehrer erstmalig in einem Gesetz geregelt wurde, war darin nichts über Bildungsvoraussetzungen und die Berufsausbildung der Fahrlehreranwärter enthalten. Erst sieben Jahre später nannte das Gesetz „abgeschlossene Berufsausbildung in einem anerkannten Lehrberuf nach abgeschlossener Hauptschulbildung oder eine gleichwertige Vorbildung“ als zwingende Voraussetzungen für die Zulassung zum Fahrlehrerberuf. Diese bei Weitem ungenügenden Vorbildungsvoraussetzungen schienen (und scheinen) für alle Zeit in Erz gegossen zu sein, obwohl die Anforderungen an die Fahrlehrerausbildung und an die Berufsausübung seitdem, namentlich aber durch die Rechtssetzungen von 1998, erheblich angehoben worden waren. Rückschlüsse auf die oft mangelnde Vorbildung der Kandidaten ließen (und lassen) sich u.a. an der hohen Versagensquote bei Fahrlehrerprüfungen ablesen. Die DFA sah in einem öffentlichen Symposion, das die bestehenden Defizite herausarbeiten und Verbesserungsvorschläge erarbeiten würde, einen Weg, Politik und Verwaltung von der Notwendigkeit durchgreifender Verbesserungen der Zugangsvoraussetzungen und der Berufsausbildung zu überzeugen. Das zweitägige Symposion fand im November 2001 in Berlin statt. Neben rd. 180 Fahrlehrern aus ganz Deutschland, namhaften Erziehungswissenschaftlern und Abgeordneten der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien nahmen auch hohe Beamte aus Bundes- und Landesministerien teil. In seinem Auftaktreferat bezeichnete der Erziehungswissenschaftler Professor Dr. phil. Hellmut Lamszus, Hamburg, das gesetzlich festgelegte „Vorbildungsfundament“ mit Blick auf den pädagogischen Auftrag des Fahrlehrers als unzureichend, nicht tragfähig, ja alarmierend. Er forderte „Studierfähigkeit“ für Fahrlehreranwärter, die jedoch grundsätzlich nicht an das Bestehen der Abiturprüfung gebunden sei; der Nachweis dieser Qualifikation könne auch durch eine „spezielle Aufnahmeprüfung“ erbracht werden. Diese Auffassung fand durch die Referate von weiteren Erziehungswissenschaftlern und hohen Beamten aus den Verkehrsverwaltungen des Bundes und der Länder Bestätigung. Der Vertreter des Bundesbildungsministeriums hingegen stellte die Notwendigkeit eines besseren Vorbildungsfundamentes unter Anführung kühner Vergleiche mit Handwerksberufen infrage. Die nach ausführlicher Diskussion vom Plenum nahezu einstimmig verabschiedete Resolution verlangte neben einer deutlichen Anhebung der Vorbildung (Abitur, Fachhochschulreife oder entsprechender Nachweis durch eine spezielle Eignungsprüfung) qualitative und quantitative Verbesserungen der Berufsausbildung.
Berufseignungstest
Im Lichte dieser Erkenntnisse sah sich die DFA in der Pflicht, einen Berufseignungstest für Interessenten am Fahrlehrerberuf zu entwickeln. Die dem Wissenschaftlichen Beirat der DFA angehörenden Professoren Lamszus, Sackmann und Sturzbecher nahmen das Projekt in Angriff. Anfang 2006 war die Entwicklung abgeschlossen. Der Test wurde unter dankenswerter Mitwirkung von Fahrlehrerausbildungsstätten und deren Schüler in der Praxis erprobt. Die Evaluation ergab eine hohe Übereinstimmung der Prognosen mit der Prüfungsrealität (85%). Seitdem wird der Test erfolgreich von öffentlichen Leistungsträgern angewandt, um herauszufinden, ob Leistungsberechtigte für den Fahrlehrerberuf geeignet sind. Leider scheint der Gesetzgeber trotz dringendem Handlungsbedarf die qualitative Bedeutung eines obligatorischen Eignungstests als Voraussetzung für die Zulassung zur Fahrlehrerausbildung bis dato nicht erkannt zu haben.
Großprojekt: „Qualitätssicherung in Fahrschulen“
Die Novelle zum Fahrlehrergesetz vom 24. April 1998 stieß mit den neuen Absätzen 3 und 4 des Paragrafen 34 das Thema „Qualitätssicherung in Fahrschulen“ an. Offenbar waren die Gesetzesmacher der Auffassung, ein geeignetes Qualitätssicherungssystem könne der Optimierung der Fahrausbildung besser dienen als die nur auf die Suche nach Normverletzungen festgelegte staatliche Überwachung. Unter Leitung von Professor Bruno Heilig, Schwäbisch Gmünd, wurde die Entwicklung des bis dahin anspruchsvollsten Projekts der DFA Anfang 2004 gestartet. Um Praxisnähe des Programms zu gewährleisten, waren von Anfang an Fahrschulen in alle Entwicklungsschritte einbezogen. In Konsultationen und Workshops konnten größere Gruppen von Fahrlehrern aus allen Teilen Deutschlands ihre Erfahrungen und Vorstellungen über die Steigerung und Gewährleistung von Ausbildungsqualität einbringen. Nach mehr als 100 Jahren seit Gründung der ersten Fahrschulen in Deutschland wurde mit diesem Projekt das erste Mal die Sicherung der Ausbildungsqualität wissenschaftlich aufgegriffen. Dabei ging es nicht um die Adaption irgendeines anderen, für wesensfremde Dienstleistungen konzipierten Programms, sondern um die sehr spezifischen Ansprüche an die präzise Erhebung und Darstellung der Qualität des theoretischen und praktischen Fahrunterrichts. GLH
Fortsetzung: Newsletter Ausgabe 10
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Die weiteren "Rückblicke ..." sowie die Chronik der DFA finden Sie hier:
Chronik
Die Deutsche Fahrlehrer-Akademie e. V. blickte im Mai 2010 auf ihr 20-jähriges Bestehen zurück. Aus diesem Anlass erschien eine kurzgefasste Chronik des Vereins, die wir auszugsweise wiedergeben ...