Deutsche Fahrlehrer-Akademie e. V.: Rückblick auf die Anfänge und das Werden III
Artikel aus Newsletter Ausgabe 8, November 2010
Mitte der 90er-Jahre hob in der Fahrlehrerschaft eine rege Diskussion über neue computergestützte Fahrsimulatoren an. Ein mit Mitteln des Landes NRW subventioniertes Unternehmen namens AITEK aus Dortmund entwickelte solche Geräte und verkündete, seine Simulatoren würden die praktische Fahrausbildung revolutionieren.
Die Nachricht von der fantastischen neuen Simulatoren-Generation breitete sich wie ein Lauffeuer aus, zumal aus der Bundeswehr ähnliche Signale kamen, wenn auch weniger euphorisch. Viele Fahrlehrer trieb die Sorge um, die neue Technologie könnte den Berufsstand in eine tiefe Krise rechtlicher, wirtschaftlicher und sozialer Unsicherheit stürzen. Hier ging es nicht mehr um den primitiven „Fahrstand“, wie ihn der Berliner Pädagogikprofessor Bongard noch in den späten 80er- Jahren lautstark propagiert hatte, sondern um Hightech mit einer geradezu verblüffenden bildlichen Auflösung der virtuellen Fahrbahn und ihrer unmittelbaren Umgebung sowie einem synchronisierten, aber freilich noch nicht unbedingt wirklichkeitsnahen Bewegungs- und Soundsystem. AITEK plante, all überall im Lande Stützpunkte mit Mehrplatzsimulatoren einzurichten, in die sich die Fahrschulen einkaufen oder stundenweise einmieten sollten. Doch der Plan ging viel weiter: Die Stützpunkte sollten auch für „Laufkundschaft“ zugänglich sein: Speziell ausgebildete „Instruktoren“ würden ohne Formalitäten jedem, der mal rasch vorbeikommt, gegen eine zuvor zu entrichtende Gebühr „Fahrunterricht“ erteilen.
Was kann der AITEK-Simulator?
Diese Ankündigungen ließen die Gremien der Deutschen Fahrlehrer-Akademie aufhorchen, zumal in der organisierten Fahrlehrerschaft großes Interesse an einer neutralen Klärung der Frage bestand, ob – und wenn ja, inwieweit – der AITEK-Simulator (oder ähnliche Entwicklungen) den herkömmlichen praktischen Fahrunterricht ergänzen oder gar ersetzen könnte. Der Wissenschaftliche Beirat maß dem Thema erhebliche Bedeutung bei und rief 1997 unter Leitung von Peter Glowalla, Berlin, den Arbeitskreis Fahrsimulatoren in Fahrschulen ins Leben. Nach einer gründlichen „Bestandsaufnahme“ der am Markt angebotenen Geräte und deren Leistungsfähigkeit veranstaltete die DFA im September 1997 in Hohenroda einen Workshop für das Führungspersonal der deutschen Fahrlehrerverbände unter dem Titel „Fahrsimulatoren in der praktischen Fahrausbildung – Zukunftsrealität oder Phantom“. Das Ergebnis war ernüchternd:
Für die praktische Grundausbildung sind die aufwendigen Maschinen unnötig und überdies gegenüber dem Auto unwirtschaftlich. Ein Einsatz zur Ergänzung des praktischen Unterrichts im Sinne der Simulierung von in der Realität nicht willkürlich herbeiführbaren Situationen – etwa witterungsbedingten Gefahren, Überholmanöver etc. – ist zum einen wegen der noch mangelhaften Simulationsfähigkeit, zum Zweiten wegen der unverhältnismäßig hohen Kosten der Maschinen auszuschließen. Gerade Letzteres aber könnte, wirtschaftlich vertretbare Gestehungs- und Betriebskosten vorausgesetzt, bei realitätsnaher Abbildung der Gefahren zur Optimierung der Fahrausbildung beitragen.
Mitte 1999 lud die DFA in Zusammenarbeit mit Dornier und Daimler-Chrysler den Gesamtvorstand der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V. zu einer Informationsveranstaltung mit dem Thema „Simulatoren – aktueller Stand der Technik/Einsatzmöglichkeiten“ ein. Auch dabei zeigte sich, dass Fahrsimulatoren noch einen weiten Weg der Optimierung vor sich haben würden, bevor sie in der zivilen Fahrausbildung maßgeblich Platz greifen können. Die von AITEK dank angeblicher Alleskönner-Simulatoren angekündigte Revolution der Fahrausbildung war nicht zum Ausbruch gekommen. Apropos: AITEK ging Anfang 2000 in Konkurs. Das bedeutet nicht, dessen war und ist sich die Führung der DFA bewusst, dass der Gedanke einer förderlichen Anwendung von Fahrsimulatoren in der zivilen Fahrausbildung für alle Zeiten ad acta zu legen ist.
Verknüpfung: Schulische Verkehrserziehung und Fahrunterricht
In Niedersachsen war 1997 auf Anregung eines Ministerialbeamten und unter dem Einfluss der Thesen des Berliner Schulprofessors Bongard der Versuch gestartet worden, die schulische Verkehrserziehung mit der Fahrausbildung nach dem Fahrlehrergesetz zu verknüpfen. Wer könnte schon gegen gute schulische Verkehrserziehung sein? Doch das Projekt war nicht mit der angemessenen Sorgfalt vorbereitet worden und barg u.a. die Gefahr erheblicher Wettbewerbsverzerrungen. Welche Fahrlehrer dürfen in den weiterführenden und den Berufsschulen unterrichten und welche nicht? Das wenig durchdachte Projekt hatte überdies einige organisatorische, pädagogische und wirtschaftliche Haken und war insgesamt praxisfern angelegt. Der hierzu etwas vage formulierte Passus im Straßenverkehrsgesetz (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe p) ist sehr auslegungsfähig, zumal die Blankettnorm noch heute einer praktikablen Ausführungsbestimmung harrt. Die Gremien der DFA sahen in den niedersächsischen Bestrebungen jedenfalls keinen Ansatz für eine Optimierung der Fahrausbildung und haben diese Auffassung seinerzeit auch – u.a. in einem Workshop mit Vertretern der Fahrlehrerverbände – eingehend begründet. Aus heutiger Sicht ist zu berichten, dass das Projekt ohne Bedeutung geblieben ist.
Manko
Dass die Führung einer Fahrschule kaufmännische Kenntnisse erfordert, war im Grunde nie bestritten worden. Über Jahrzehnte hinweg hatte die Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V. vergeblich die Forderung nach einer gesetzlich geregelten betriebswirtschaftlichen Schulung der angehenden Fahrschulinhaber gestellt. Doch der Bundesgesetzgeber wollte da nicht rangehen. Es fehlte offenbar die Einsicht, dass betriebswirtschaftliche Fehler zu erheblicher Minderung der Ausbildungsqualität führen und somit die Verkehrssicherheit beeinträchtigen können. Anfang der 90er-Jahre begann die Abwehrfront der Gesetzesmacher zu bröckeln, und schließlich brachte das Änderungsgesetz vom 24. April 1998 die längst überfällige Regelung. Danach müssen Bewerber um die Fahrschulerlaubnis an einem mindestens 70 Stunden dauernden Lehrgang über Fahrschulbetriebswirtschaft teilnehmen. Von diesem Crashkurs ist zwar bis heute niemand entzückt, zumal eine Erfolgskontrolle nicht verlangt wird. Doch der Anfang, dieses lang beklagte Manko der Fahrlehrerausbildung zu überwinden, war immerhin gemacht. Auf Anregung des Bundesverkehrsministeriums erarbeitete die DFA ein Eckdatenpapier über die Inhalte des betriebswirtschaftlichen Lehrgangs. Angesichts der kurzen Lehrgangsdauer fiel den Wirtschaftsexperten der DFA die Abwägung und Gewichtung der einzelnen Themen nicht leicht. Dennoch kam ein den Umständen entsprechend brauchbares Ergebnis zustande, das in einer im Verkehrsblatt veröffentlichten Richtlinie zusammengefasst wurde und bis heute Bestand hat. Die DFA hat in der Vergangenheit nie ein Geheimnis aus ihrer Enttäuschung über die seinerzeitige Rechtssetzung gemacht. Pädagogische und sachliche Gründe sprechen für mindestens eine Verdoppelung der Lehrgangsdauer und eine Abschlussprüfung. Überdies sollten anlässlich einer hoffentlich baldigen Neufassung der Bestimmung die Verordnungsermächtigung nach § 11 Abs. 4 FahrlG ausgenützt und die Inhalte statt als Richtlinie in einem Rahmenplan festgezurrt werden.
Ein spannendes Jahrzehnt
Im Mai des Jahres 2000 blickte die DFA auf das erste Jahrzehnt ihres Bestehens zurück. Das Experiment, dem Berufsstand der Fahrlehrer ein wissenschaftliches Forum zu schaffen, war geglückt. Die Aufgabe erwies sich von Beginn an als sehr anspruchsvoll. Besonders spannend für die DFA waren die letzten Jahre des alten Jahrhunderts gewesen: Die Mitarbeit bei der Vorbereitung der am 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Jahrhundertreform des Führerscheins und zahlreicher begleitender legislativer Maßnahmen hatten konzentrierte Anstrengungen verlangt.
GLH
Fortsetzung: Newsletter Ausgabe 9
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