"Vision Zero - keiner kommt um, alle kommen an": Sichere Mobilität für Fahranfänger
Artikel aus Newsletter Ausgabe 7, April 2010
Bild: Dr. Walter Eichendorf
Der Schutz des menschlichen Lebens steht heute wie vor 40 Jahren im Vordergrund der Aktivitäten des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) und seiner Mitglieder. Eine Daueraufgabe, auch wenn die Verkehrssicherheitsarbeit in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten große Fortschritte erzielt und beachtliche Erfolge errungen hat. Hatten wir 1970 mit 21.300 Getöteten im Straßenverkehr einen traurigen Höhepunkt erreicht, liegt diese Zahl nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes für 2009 bei 4.160.
Das sind im Durchschnitt elf Menschen, die Tag für Tag auf unseren Straßen ihr Leben verlieren, und mehr als 1.000, die verletzt werden. Auch wenn dies für 2009 einen Rückgang der Getötetenzahlen um sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet, sind diese Zahlen nach wie vor inakzeptabel.
Vision Zero für eine sichere Zukunft
Seit über zwei Jahren ist die Sicherheitsphilosophie "Vision Zero – keiner kommt um, alle kommen an" die Basis für die Arbeit des DVR und seiner Mitglieder. Kern der Philosophie ist ein sicheres Verkehrssystem und die Einsicht, dass der Mensch als Teil dieses Systems nicht fehlerfrei agiert. Ziel von "Vision Zero" ist es, die Mobilität lebenswert zu sichern und unfallfrei zu gestalten und dadurch das Sicherheitsbedürfnis der Menschen zu befriedigen. Bei Zielkonflikten gibt "Vision Zero" die Richtung klar vor: im Zweifel für die Verkehrssicherheit.
Aufbauend auf der bisherigen Arbeit in den Bereichen Mensch, Technik und Straße nehmen wir die Herausforderung an, die Zahl der Verkehrsopfer weiterhin deutlich senken zu wollen.
Schwerpunkte sind Fragen der Verkehrserziehung und -aufklärung, der Fahrzeug- und Verkehrstechnik, des Verkehrsrechts, der Verkehrsmedizin und der -überwachung. Der DVR koordiniert die vielfältigen Aktivitäten seiner rund 220 Mitglieder, entwickelt Programme und passt diese kontinuierlich neuen Anforderungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen an. Eine zentrale Aufgabe ist es, die Bemühungen aller beteiligten Stellen zu einem gemeinsamen und wirksamen Handeln zu bündeln.
Fahranfänger besonders gefährdet
Bei den Fahranfängern, die eine besonders gefährdete Verkehrsteilnehmergruppe sind, stehen Verkehrserziehung und -aufklärung sowie eine sehr gute Fahrausbildung im Vordergrund.
ie jungen Fahrer im Alter von 18 bis 24 Jahren stellen nach wie vor die Hochrisikogruppe im Straßenverkehr dar. Obwohl ihr Bevölkerungsanteil nur bei rund acht Prozent liegt, gehören leider 22 Prozent der im Straßenverkehr Getöteten zu dieser Altersgruppe. Im Jahr 2008 waren es 887 junge Erwachsene, die ihr Leben auf unseren Straßen verloren haben.
Neben einer qualitativ hochwertigen Fahrausbildung muss mit Blick auf eine fortdauernde sichere Mobilität für Fahranfänger die Entwicklung eines umfassenden Konzepts zur Ausbildung und Betreuung der Fahranfänger im Vordergrund stehen. Mehrphasiges Lernen in der gefährlichsten Zeit der Fahrerkarriere soll zur Unfallreduktion führen. Hierzu gehören eine kontinuierliche Forschung zur Mobilität junger Fahrerinnen und Fahrer, die Qualitätssicherung und regelmäßige Aktualisierung der Inhalte der Basisausbildung sowie die Förderung von Konzepten, die ein selbstständiges Lernen unter risikoärmeren Bedingungen zulassen wie zum Beispiel das Erfolgsmodell „Begleitetes Fahren mit 17“.
Darüber hinaus müssen geeignete Elemente zur Senkung des Unfallrisikos nach dem Fahrerlaubniserwerb erprobt, evaluiert und optimiert werden. Das gilt zum Beispiel für das seit dem 1. August 2007 geltende absolute Alkoholverbot für Fahranfänger, die Länge der Probezeit oder die Kennzeichnung der Fahrzeuge von Führerscheinneulingen.
Es ist wichtig, Angebote zu schaffen oder auszubauen, die ein Feedback in den ersten Jahren des selbstständigen Fahrens sicherstellen. Die obligatorische Einführung eines Mehrphasenmodells wäre hier hilfreich.
Aber das allein reicht nicht. Der einzelne Verkehrsteilnehmer muss sich unabhängig von Alter und Fahrerfahrung über die Risiken bewusst sein, die er durch sein Handeln für sich und andere erzeugt.
Ich bin sicher, dass wir mit den genannten Maßnahmen für Fahranfänger weitere Fortschritte im Sinne der "Vision Zero" machen werden. Selbstverständlich kann dies nur im Zusammenspiel mit dem Know-how und dem Engagement der Fahrlehrerschaft, insbesondere der Deutschen Fahrlehrer-Akademie, zu einem erfolgreichen Ergebnis führen. Die Fortsetzung und Vertiefung dieser guten und konstruktiven Zusammenarbeit ist ein wichtiger Beitrag zu mehr Verkehrssicherheit!
Dr. Walter Eichendorf
Präsident
Deutscher Verkehrssicherheitsrat (DVR)