Anforderungen an Fahrlehrer in Europa: Besonderes Merkmal - Uneinheitlichkeit
Artikel aus Newsletter Ausgabe 5, April 2009
Bild: Dr. rer.nat. Hanns Christian Heinrich
Welche Anforderungen werden in den europäischen Ländern an Fahrlehrer gestellt? Diese Frage war Gegenstand einer umfangreichen Studie, die von der Deutschen Fahrlehrer-Akademie e.V. (DFA) im Jahr 2008 und Anfang 2009 in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Fahrlehrer-Assoziation e.V. durchgeführt wurde.
Anlass hierzu war die Richtlinie 2005/36/EC des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung beruflicher Qualifikationen. Die Richtlinie wurde durch das vierte Gesetz zur Änderung des Fahrlehrergesetzes für den Bereich des Fahrschulwesens in deutsches Recht umgesetzt. Eine entscheidende Voraussetzung zur Anwendung dieses Gesetzes ist die Kenntnis der Anforderungen an den Fahrlehrerberuf in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und den Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sowie der Schweiz.
Die erforderlichen Angaben über die gegenwärtig gültigen Regelungen wurden auf verschiedenen Wegen erhoben:
- In einem ersten Schritt wurden alle auf der EFA-Mitgliederversammlung in Tallinn (2.5. - 3.5.2008) vertretenen nationalen Fahrlehrerverbände gebeten, einen einschlägigen Fragebogen auszufüllen. Den dort nicht vertretenen Verbänden einzelner Länder wurde der Fragebogen mit der Bitte um Beantwortung per E-Mail übersandt.
- CIECA, die internationale Vereinigung von Organisationen, die mit Führerscheinprüfungen betraut sind, hat den Fragebogen (in leicht modifizierter Form) ihren Mitgliedsorganisationen ebenfalls mit der Bitte um Beantwortung geschickt, so dass jetzt die Richtigkeit der Antworten auf doppelte Weise gewährleistet ist. Allerdings liegen Antworten zu dem Fragebogen in der EFA-Version und in der CIECA-Version nur für 16 Länder vor.
Insgesamt ist es auf diese Weise gelungen, aus allen Ländern Angaben über die Anforderungen an den Fahrlehrerberuf zu erhalten – abgesehen von Litauen, von wo weder EFA noch CIECA Antwort bekommen haben.
Die nun vorliegenden Ergebnisse geben somit zum ersten Mal einen (fast) lückenlosen und umfassenden Überblick über die gesetzlichen Grundlagen zum Fahrlehrerberuf in Europa.
Der thematische Aufbau des Fragebogens ist im nachstehenden Kasten dargestellt.
Themenblöcke des Fragebogens
A: Fahrlehrer
A 1: Voraussetzungen für den Fahrlehrerberuf
A 2: Ausbildung zum Fahrlehrer
A 3: Prüfung
A 4: Erteilung der Fahrlehrerlaubnis
A 5: Tätigkeit als Fahrlehrer
B: Fahrschule
B 1: Fahrschulerlaubnis
B 2: Anforderungen an die Person, die in einer Fahrschule für die Qualität des Unterrichts verantwortlich ist
C: Weitere Aufgabengebiete
Um es gleich vorweg zu sagen: Die Unterschiede der Anforderungen an Fahrlehrer in Europa sind erheblich! Dies zeigt sich in allen bei der Befragung angesprochenen Bereichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in einigen Ländern bereits das Berufsbild des Fahrlehrers zum Teil deutlich von unseren deutschen Vorstellungen abweicht. So wird z.B. in Österreich zwischen dem „Fahrlehrer“, der ausschließlich praktischen Fahrunterricht erteilt, und dem „Fahrschullehrer“ unterschieden, der sowohl Theorie als auch Praxis unterrichten darf. Entsprechend unterschiedlich sind die geforderten beruflichen Qualifikationen. Am differenziertesten sind die Verhältnisse hierzu in Belgien, wo zwischen fünf verschiedenen Qualifikationsarten und damit verbundenen Tätigkeiten unterschieden wird. Vor einer beruflichen Anerkennung ausländischer Fahrlehrer in Deutschland ist daher genau zu prüfen, ob die Tätigkeitsmerkmale eines Fahrlehrers in dem betreffenden Ausland den deutschen entsprechen.
Die Themenblöcke A 2 (Ausbildung zum Fahrlehrer) und A 3 (Prüfung) sind für die Frage der Anerkennung der beruflichen Qualifikation von Fahrlehrern von besonderer Bedeutung. In den Antworten zeigen sich dort auch die größten Unterschiede:
- In den allermeisten Ländern ist eine Ausbildung zum Fahrlehrer gesetzlich vorgeschrieben, allerdings in vier Ländern nicht, nämlich in Zypern, Irland, in den Niederlanden und Großbritannien.
- Die Ausbildung zum Fahrlehrer liegt in einigen Ländern ausschließlich bei privaten Fahrschulen, in Norwegen hingegen wird ein Studium an einem Universitäts-College verlangt. Am weitesten ist (wie in Deutschland) eine kombinierte Ausbildung in einer Fahrlehrerausbildungsstätte und in einer Fahrschule verbreitet.
- Sofern eine Ausbildung vorgeschrieben ist, schwankt deren Umfang zwischen 70 Stunden (Island) und zwei Jahren (Norwegen). In vielen Ländern ist ein Mindestumfang überhaupt nicht festgeschrieben.
Die fünf Teilprüfungen der deutschen Fahrlehrerprüfung stellen einen guten Anhaltspunkt für den Vergleich zwischen den Ländern Europas dar.
Umfang der deutschen Fahrlehrerprüfung
Fahrpraxis > 60 Minuten
Fachkunde schriftlich > 300 Minuten
Fachkunde mündlich > 30 Minuten
Lehrprobe Theorie > 45 Minuten
Lehrprobe Praxis > 45 Minuten
In der nachstehenden Tabelle und in der Europakarte wird die Übereinstimmung mit dem deutschen Prüfungssystem dargestellt. Die Farben in der rechten Spalte der Tabelle geben zusätzlich zu der eingetragenen Zahl den jeweiligen Grad der Übereinstimmung mit dem deutschen Prüfungssystem an: Eine Übereinstimmung in allen fünf Prüfungsteilen wird dunkelgrün signiert, findet überhaupt keine Prüfung statt, so wird das Land mit roter Farbe gekennzeichnet. Die Einfärbungen in der Europakarte entsprechen den Farben in Spalte „Anzahl“.
Übereinstimmung mit dem deutschen Prüfungssystem in Europa
An dieser Stelle kann nur ein Bruchteil der Einzelergebnisse der Erhebung mitgeteilt werden. In absehbarer Zeit ist beabsichtigt, die Daten in allen Einzelheiten im Internet zu publizieren.
Die Deutsche Fahrlehrer-Akademie leistet mit dieser Erhebung einen wichtigen Beitrag zu einem fairen Verfahren für die gegenseitige Anerkennung der beruflichen Qualifikation von Fahrlehrern. Die Ergebnisse lassen allerdings vermuten, dass der Weg zu einheitlichen Anforderungen an den Fahrlehrerberuf in Europa noch weit ist. Der erste Schritt zu mehr Durchlässigkeit der Grenzen in Europa auf diesem Gebiet ist jedoch gemacht.
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Zur Person
Dr. rer. nat. Hanns Ch. Heinrich war seit 1975 in der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) viele Jahre u. a. mit Forschungen und Entwicklungen zum Fahrschulwesen und der Fahrerlaubnisprüfung befasst. Daneben leitete er verschiedene internationale auf den Gebieten Verkehrserziehung und Fahrausbildung tätige Gremien der OECD und der Europäischen Kommission. Ab 1998 baute Heinrich die Akkreditierungsstelle Fahrerlaubniswesen der BASt auf und leitete diese bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2006. Danach war er maßgeblich an der Entwicklung des QM-Systems der Deutschen Fahrlehrer-Akademie e.V. beteiligt.
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