MPU: Der Fahrer-TÜV für einen Neuanfang am Lenkrad
Artikel aus Newsletter Ausgabe 2, November 2007
Jedes Jahr nehmen in Deutschland rund 100.000 Menschen an der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) teil. Häufigster Auslöser: Alkohol am Steuer. Doch der Anteil der Drogenauffälligkeiten im Straßenverkehr steigt in hohem Tempo. Und auch die „Punktesammler“ stellen unter den MPU-Kandidaten eine stattliche Zahl. Für sie alle bedeutet die MPU eine beträchtliche Herausforderung – aber auch die große Chance für einen Neustart ohne Führerscheinsorgen. Dank stetiger wissenschaftlicher Weiterentwicklung, einheitlicher Beurteilungskriterien und einem sehr strengen System der Qualitätssicherung (mit TÜV SÜD startete 1999 das Akkreditierungsverfahren durch die Bundesanstalt für Straßenwesen) ist die MPU heute, nach mehr als 50 Jahren Bewährung, ein wirksameres Verkehrssicherheitsinstrument denn je.
Die Geburtsstunde der MPU in Deutschland hatte schon früh geschlagen – gleich in der Nachkriegszeit galt es die Frage zu klären: Können Kriegsverletzte mit körperlichen Behinderungen ein Auto sicher fahren? Diese Aufgabe übernahmen die TÜV und schon damals wirkten dabei Mediziner und Psychologen zusammen. Alkohol wurde in der Folge immer mehr die Hauptursache für schwere Verkehrsunfälle, für Führerscheinverlust und die Anordnung einer MPU – der Anteil beträgt heute rund 65%. Dabei setzte sich allerdings auch die Ansicht durch: Selbst wer sich am Steuer immer wieder grob fahrlässig gezeigt hat, kann sein Verhalten sehr wohl dauerhaft ändern. Folgerichtig werden seit der zweiten Hälfte der 70er Jahre ergänzend zur MPU Nachschulungskurse angeboten, die sich bereits in frühen Studien bewährten: Es zeigt sich eine enorme Senkung des Rückfallrisikos. Diese Kurse gibt es seit einigen Jahren auch für Drogenauffällige und Punktesünder.
Die Bürger können sich darauf verlassen, dass ihre MPU unter klaren gesetzlichen Rahmenbedingungen abläuft und transparenten Regeln folgt. Sie beinhaltet mehrere Schritte, die sich insgesamt über zwei bis drei Stunden erstrecken. Zunächst wird an einem Testgerät die Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit des Fahrers überprüft. Als zweiter Schritt folgt die körperliche Untersuchung durch einen Verkehrsmediziner, je nach Anlass wird eine Blut- oder Urinprobe genommen. Schließlich bildet das persönliche Gespräch mit dem Verkehrspsychologen, das in der Regel eine Stunde dauert, den Schwerpunkt der Untersuchung. Darin beurteilt der Gutachter, ob der betroffene Fahrer sein früheres Fehlverhalten eingesehen und selbstkritisch aufgearbeitet hat. Und natürlich besonders wichtig: Liegt eine stabile Verhaltensänderung, zum Beispiel Beendigung des Drogenkonsums, vor? Das Ziel ist, dass der Untersuchte den Führerschein nicht nur zurückbekommt – er soll ihn auch auf Dauer behalten.
Der „kritische Blick“ der Gutachter bei der MPU ist also durchaus ein echter Dienst am betroffenen Bürger. Bei einer Rückfallquote von rund 40% bei den Alkoholfahrern ist niemandem gedient, wenn einige Jahre nach der Neuerteilung der nächste Entzug der Fahrerlaubnis folgt. Stichwort Bürger- oder Kundenservice: Hier hat sich besonders im letzten Jahrzehnt enorm viel getan. So begann TÜV SÜD schon in den neunziger Jahren mit kostenlosen Infoabenden und individuellen Beratungsgesprächen. Schulungsmaßnahmen von Verkehrspsychologen ergänzen heute die Möglichkeiten, sich aktiv mit seinem Führerscheinproblem und der MPU auseinander zu setzen. Und angesichts kursierender Stammtischweisheiten und Fehlinformationen ist auch die Kommunikationsoffensive unter dem TÜV SÜD-Motto „Lassen Sie sich keinen Bären aufbinden“ enorm wichtig.
Und noch etwas erleichtert den Start in ein neues und unbeschwertes Führerscheinleben: neuartige medizinische Methoden zum Nachweis von Verhaltensänderungen. An die Seite der seit langem etablierten Drogenscreenings (zum Nachweis erfolgreicher Drogenfreiheit) ist nun für Alkohol der „Abstinenz-Check“ getreten. Dies ist eine Möglichkeit, den Nachweis zu erbringen: Ich trinke keinen Alkohol mehr. TÜV SÜD konnte 2006 als erste Begutachtungsstelle für Fahreignung einen Abstinenz-Check anbieten, der durch eine Messung von Ethylglucuronid (EtG) – eines direkten Alkoholabbauprodukts – im Urin diesen Abstinenznachweis ermöglicht. Die Dienstleistungen für den Bürger wurden also kontinuierlich weiterentwickelt mit dem Ziel: Schutz vor gefährlichem Verkehrsverhalten, Chance für die Betroffenen zum Wiedereinstieg ins mobilisierte Leben. Und ihre Wirksamkeit ist erwiesen. Im Rahmen des Road Safety Performance Index, des ersten europäischen Ländervergleichs in Sachen Verkehrssicherheit, veröffentlichte der Europäische Verkehrssicherheitsrat jüngst eine Studie, die belegt, dass der in Europa verzeichnete, positive Trend bei der Bekämpfung des Problems "Alkohol am Steuer" einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der allgemeinen Sicherheit im Straßenverkehr leistet. Deutschland liegt bei diesen Erfolgen ganz weit vorne. Dies ist eine Bestätigung dafür, dass das Zusammenwirken der in Deutschland praktizierten Verkehrssicherheitsmaßnahmen eine enorme positive Wirkung entfaltet. Beratung, MPU und Nachschulungskurse tragen dazu einen wesentlichen Teil bei.
Zahlen und Fakten rund um die MPU
- Zahl der Medizinisch-Psychologischen Untersuchungen 2006: 105.461;
davon wegen Alkohol: 63.141 (60 %) - Anteil der Alkoholfahrer bei der MPU, die bereits wiederholt mit Alkohol oder mit Alkohol in Verbindung mit anderen Verkehrsverstößen auffielen: 25 %
- Anteil der Männer an allen Alkoholauffälligen im Straßenverkehr: 96 %
- Anteil der Drogenauffälligkeiten 2006 als Grund für eine MPU: 18 %
- Zunahme der Drogenauffälligkeiten im Straßenverkehr gegenüber dem Vorjahr: 10 %
- Negative Gutachten bei der MPU (alle Anlässe): 36 %
Literaturtipp:
- „Der Testknacker bei Führerscheinverlust“ von Theodor Rieh und Thomas Wagenpfeil; Goldmann
- www.tuev-sued.de/mpi – Der Führerschein-TÜV bietet ausführliche Infos rund um das Thema MPU
- www.fuehrerscheinberater.de – Angebote zu den Nachschulungskursen (sog. § 70-Kurse)
- www.fit-to-drive.com - 2. Internationaler Fit-to-Drive-Kongress, der sich auch mit dem Thema MPU auseinander setzt