Jürgen Merz: Alkohol-Interlocks für mehr Verkehrssicherheit
Artikel aus Newsletter Ausgabe 17, April 2015
Bild: Jürgen Merz
Der Einsatz von Alkohol-Interlocks (AII) im Straßenverkehr wird weltweit schon seit vielen Jahren erprobt. In den USA und in Kanada ist der Einsatz von AII bei Menschen, die unter Alkoholeinfluss ein Fahrzeug gesteuert haben, weithin verbreitet. Damit soll die Sicherheit im Straßenverkehr erhöht werden.
USA und Kanada vorn
In Europa sind solche Programme bislang nur vereinzelt im Einsatz, breiten sich aber immer weiter aus. Im Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) wird derzeit erwogen, inwieweit die Verwendung eines solchen Gerätes die bereits erprobten verkehrspsychologischen und -pädagogischen Maßnahmen für alkoholauffällige Kraftfahrer sinnvoll ergänzen könnte. 2013 wurden auf deutschen Straßen bei alkoholbedingten Unfällen 4.843 Menschen schwer verletzt und 314 getötet. 2014 wird nicht wesentlich besser ausgegangen sein. Daher sollten alle Chancen genutzt werden, um diesen Blutzoll weiter zu reduzieren. Im Auftrag des BMVBS hat die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) Anfang Juli 2011 ein Forschungsprojekt zu AII gestartet. Die Ergebnisse dieser Studie sind Anfang dieses Jahres veröffentlicht worden.
Wirkung
Alkohol-Interlock-Geräte werden fest ins Fahrzeug eingebaut. Der Motor eines so ausgestatteten Fahrzeuges lässt sich nur starten, wenn der Fahrer zuvor eine Atemprobe abgibt. Enthält die Atemluft Alkohol, kann das Fahrzeug nicht gestartet werden. Das Gerät lässt sich so programmieren, dass im Verlauf einer Fahrt weitere Atemproben verlangt werden. Eine eingebaute Festplatte kann weitere wichtige Daten speichern, wie zum Beispiel Manipulations- oder Fehlversuche oder geleistete Fahrkilometer mit den entsprechenden Fahrzeiten.
Für wen?
In Deutschland wird derzeit kontrovers diskutiert, für wen der Einbau eines AII in Betracht kommen könnte. Zurzeit liegt ab 1,1 Promille absolute Fahruntüchtigkeit vor. Studien zeigen, dass ab dieser Grenze das Unfallrisiko sprunghaft ansteigt. Folgen eines erstmaligen Trunkenheitsdelikts sind Strafen, Entziehung der Fahrerlaubnis und Sperre. Die Sperre soll u.a. dem Trunkenheitsfahrer Gelegenheit geben, sich über sein Trinkverhalten Gedanken zu machen und Besserung zu erreichen. Gerade die Bewirkung von Einsicht und Besserung kann durch ein AII-Programm wesentlich unterstützt werden. Denn oft ist die gerichtlich verhängte Sperre kein ausreichender Anlass, den eigenen Umgang mit Alkohol selbstkritisch zu betrachten. Die Promillezahl wird als Bagatelle ausgelegt und das künftige Sicherheitsrisiko meist unterschätzt. Bei solcher Haltung ist die Wahrscheinlichkeit, in Zukunft wieder unter Alkoholeinfluss zu fahren, nicht gering. Einhergehen mit All sollte immer eine verkehrspsychologische Beratung/Schulung. Internationale Studien zeigen, dass die Auseinandersetzung mit dem Alkoholtrinkverhalten und eine grundlegende Veränderung desselben Voraussetzungen dafür sind, in Zukunft von einer verminderten Rückfallgefahr ausgehen zu können. Die Studien zeigen auch, dass ohne Veränderung des Problembewusstseins nach Ausbau des Gerätes das Rückfallrisiko unverändert bleibt und damit kein langfristiger Nutzen des AII erkennbar ist.
All-Programme helfen
Grundsätzlich hat der weltweit erprobte Einsatz von AII-Programmen bestätigt, dass sie die Verkehrssicherheit erhöhen und Alkoholfahrten ganz unmittelbar verhindern können. Maßgebliche Institutionen und Berufsverbände empfehlen daher, die gesetzlichen Grundlagen für eine Einführung von AII-Programmen für alkoholauffällige Kraftfahrer zu schaffen. In jedem Fall ist aber die Nutzung eines solchen Gerätes mit einer verkehrspsychologischen Interventionsmaßnahme zu kombinieren, um eine nachhaltig positive Wirkung für die Verkehrssicherheit zu erreichen.
_____
Autor
Dipl.-Psych. Jürgen Merz hat sich während seines Studiums besonders den Gebieten der Bildungsberatung und der Rehabilitation zugewandt. Es folgten Fachausbildungen der Verkehrs- und Sportpsychologie. Ab 1994 leitete er die MPU des TÜV in Stuttgart. Seit 1999 ist Merz Geschäftsführer der TÜV SÜD Pluspunkt GmbH und seit 2014 Ko-Geschäftsführer der TÜV SÜD Akademie GmbH, beide in München.