Im Gespräch: Interview mit Dieter Quentin

Artikel aus Newsletter Ausgabe 13, April 2013

Dieter QuentinDieter Quentin
(Foto: Frank Ossembrink)

„Wir wollen und erwarten eine alsbaldige durchgreifende Reform des Fahrlehrerrechts.“

Ww: Herr Quentin, die unfalldämpfende Wirkung von BF17 ist sehr ermutigend. Wohl deshalb wurde auf dem diesjährigen Deutschen Verkehrsgerichtstag vorgeschlagen, die Begleitphase für Fahranfänger auszudehnen? Wie stellt man sich das vor?

Quentin: Als einer aus dem Mutterland des Begleiteten Fahrens war ich vom seinerzeitigen Modellversuch begeistert. Nach nunmehr acht Jahren überzeugender Ergebnisse und auch ganz eigenen Erfahrungen sage ich: 

BF17 war eine goldrichtige Initiative. Fakt ist jedoch, dass die Begleitphase oft viel kürzer ist, als sie sein könnte und zweckmäßigerweise sein sollte. Das hat verschiedene Ursachen, die nicht in der Hand der Fahrschule liegen. Jedenfalls findet bei vielen BF-17-Fahrschülern die Prüfung nicht Schlag 17. Geburtstag, sondern oft erheblich später statt. Um mehr Zeit für die Begleitphase frei zu machen, hat der Vorsitzende der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V., Gerhard von Bressensdorf, den Gedanken ins Spiel gebracht, die jungen Leute schon etwas früher als mit 17 zur Prüfung zuzulassen. Als Arbeitstitel verwandte er den Begriff „BF16“. 

Ww: Hat das Chancen umgesetzt zu werden? 

Quentin: Es handelt sich im Moment um einen Vorschlag, der freilich im Einzelnen noch nicht ausformuliert ist. Aber es wäre doch denkbar, das Mindestalter für die Zulassung zur Fahrprüfung auf 16½ herabzusetzen, um den Fahrnovizen und den Begleitpersonen ein etwas großzügigeres Bewegungsfeld einzuräumen. Wir glauben, dies könnte eine weitere Minderung der Unfallbelastung bei den jungen Fahrerinnen und Fahrern bewirken. Dabei denkt niemand daran, etwa das reguläre Mindestalter 18 anzutasten.

Ww: Herr Quentin, zu Jahresbeginn war landauf, landab ein empörter Aufschrei der Fahrschulen zu vernehmen. Auslöser war eine Studie des ACE über „Fahrausbildung in Europa“. Danach fallen in Deutschland zu viele Fahrschüler durch die Prüfung. Der ACE wertet das als ein Anzeichen minderwertiger Ausbildung. Ist da was dran? 

Quentin: Nein, jedenfalls nicht in dieser pauschalen Weise, die sich der ACE zu eigen gemacht hat. Meines Erachtens sind die Zahlen des ACE nicht sehr belastbar, denn offensichtlich wurden Erstprüfungen und alle weiteren in einen Topf geworfen. Und soweit ich das sehe, beziehen sich die genannten Zahlen ausschließlich auf die Klasse B und vermitteln deshalb ein einseitiges Bild. Es ist sehr gewagt, von wenig differenzierten Ergebnissen einer sog. Massenprüfung, wie sie die Fahrerlaubnisprüfung nun einmal ist, kurzerhand auf die Qualität der Ausbildung zu schließen. 

Ww: Die Verfasser der Studie begründen die hohe Quote erfolgloser Prüfungen u.a. auch mit absichtlich unzureichender Ausbildung, um Fahrschüler ein zweites und im Zweifel ein drittes Mal zur Kasse bitten zu können. 

Quentin: Das wäre ein anrüchiges Geschäftsmodell, das mit Sicherheit nicht weit tragen würde. Ich denke, auf eine solche Unterstellung näher einzugehen, lohnt sich nicht. 

Ww: Gute Prüfungsergebnisse waren doch immer ein prima Aushängeschild für Fahrschulen. Gilt das nicht mehr? 

Quentin: Gute Prüfungsergebnisse zählen nach wie vor als ein Qualitätsmerkmal. Doch die Branche leidet darunter, dass ein Teil der jüngeren Leute bei der Wahl der Fahrschule weniger auf Qualität als auf den Preis schaut. Wobei sich billig am Ende oft als sehr teuer erweist. 

Ww: Nach der ACE-Studie nagen knapp 25 Prozent der deutschen Fahrschulen am Hungertuch, weil sie, ich zitiere, „weniger als 25.000 € Umsatz pro Jahr machen“. Sind das realistische Zahlen? 

Quentin: Ich weiß nicht, von wem der ACE diese Zahlen hat. Als Vorsitzender eines relativ großen Verbandes sind sie mir völlig unbekannt. Unter den heutigen Anforderungen wäre eine solche Fahrschule nicht konkurrenzfähig. 

Ww: Der ACE kritisiert das „Althergebrachte“, das man hinter sich lassen müsse. Darunter scheint der ACE vor allem die in Deutschland geltende Ausbildungspflicht in Fahrschulen zu verstehen. Die Studie verweist in diesem Zusammenhang auf Länder wie Schweden, Großbritannien und die Niederlande, deren Unfallbilanz trotz Laienausbildung angeblich günstiger ist als die deutsche. 

Quentin: Wenn es um Verkehrssicherheit geht, sind nackte statistische Zahlen, z.B. Verkehrstote pro 100.000 Einwohner, zwar auf den ersten Blick beeindruckend, aber eben nur die halbe Wahrheit. Als Land der Mitte bewältigt Deutschland einen Transitverkehr und eine Verkehrsdichte, die einmalig sind in Europa. Hinzu kommen unsere hohe Bevölkerungsdichte und eine außerordentlich starke Industrialisierung. Das alles geht in die in der ACE-Studie genannten Zahlen nicht ein. Auch die Fahrleistung und eine Reihe anderer Komponenten, die Einfluss auf das Unfallgeschehen nehmen, bleiben unberücksichtigt. Schweden hat ein um fast 100.000 Quadratkilometer größeres Staatsgebiet als Deutschland, aber nur 10 Millionen Einwohner. Schon daraus ersieht man, wie wenig aussagekräftig solche Vergleiche sind. 

Ww: Eine These der ACE-Studie lautet, ich zitiere: „Wo nicht qualifiziert unterrichtet und nicht kostendeckend gearbeitet wird, da erhöht sich das Risiko, durch die Fahrprüfung zu fallen.“ Ist das schlüssig? 

Quentin: Das ist, um es vorsichtig auszudrücken, ein schwer nachvollziehbarer Satz. Dazu fällt mir nur das ein: Wer nicht kostendeckend arbeitet, ist bald weg. Damit hätte sich dann auch die Frage nach der Qualität erledigt. 

Ww: Herr Quentin, in den Medien fand die ACE-Studie ein für die Fahrschulen nicht eben schmeichelhaftes Echo. Viele Kolleginnen und Kollegen sind der Auffassung, seit einigen Jahren schwinde die Qualität des Nachwuchses. Schuld an dieser Entwicklung seien vor allem die laschen Zugangsvoraussetzungen zum Beruf. 

Quentin: Wir fordern seit Jahren höherwertigere, den Anforderungen des Berufs angemessene Zugangsvoraussetzungen und eine noch stärkere pädagogische Ausrichtung der Fahrlehrerausbildung. Dazu hat der Berufsstand vernünftige und maßvolle Vorschläge unterbreitet. Wir wollen und erwarten eine alsbaldige durchgreifende Reform des Fahrlehrerrechts. Dabei kann für die Qualität viel getan werden, indem man z.B. ungeeignete Interessenten am Fahrlehrerberuf erst gar nicht zur Ausbildung zulässt und z.B. angehende Fahrschulinhaber besser schult und prüft. 

Ww: Kolleginnen und Kollegen beklagen, es gebe einen seit einigen Jahren wachsenden „Bodensatz“ von Fahrschulen, dem, um es kurz zu sagen, schnelles Geld wichtiger sei als eine gründliche, verkehrssichere Ausbildung ihrer Schüler.

Quentin: Wir haben, das ist unbestritten, gegen eine Reihe schwarzer Schafe zu kämpfen. Unser Beruf ist da keine Ausnahme. Dem Gefühl nach mag es heute mehr davon geben als früher, denn der Druck des reinen Preiswettbewerbs hat stark zugenommen und bedroht zunehmend die guten und fair arbeitenden Fahrschulen. In dieser Situation gilt es mehr denn je, das Qualitätsbewusstsein der Kunden mit Blick auf ihre spätere Fahrsicherheit zu schärfen. 

Das Interview führte Gebhard L. Heiler

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Zur Person

Dieter Quentin, 54, hat nach Abschluss einer kaufmännischen Ausbildung und des Pflichtwehrdienstes 1980 bei der Bundeswehr die Fahrlehrerlaubnis für alle Fahrerlaubnisklassen erworben. Quentin führt in Göttingen seine 1994 gegründete Fahrschule. 1996 wurde er von seinen Göttinger Kolleginnen und Kollegen in die Verbandsarbeit berufen. Seit 2006 ist Quentin Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Niedersachsen e.V. und seit Juni 2011 zweiter stellvertretender Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V. Quentin ist Mitglied des dortigen Prüfungsausschusses für Fahrlehrer und Vorsitzender des IHK-Prüfungsausschusses für Berufskraftfahrer.  

 

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