Fahrerlaubnisrecht in Europa: Ein Stück weiter auf dem Weg der Harmonisierung

Artikel aus Newsletter Ausgabe 12, November 2012

Dr. jur. F. Joachim JagowBild: Dr. jur. F. Joachim Jagow

Die dritte EG-Führerscheinrichtlinie und deren Umsetzung in nationales Recht hat zwar die Harmonisierung des Fahrerlaubnisrechts in der EU gut vorangebracht. Bis zum völligen Gleichklang liegt aber noch eine weitere Wegstrecke vor uns.     Seit Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Jahr 1956 hat die europäische Einigung ständig an Fahrt und Dynamik gewonnen. Ein wichtiger Motor dieser Entwicklung war ohne Zweifel auch das Verkehrsrecht. Freizügigkeit und Wegfall von Kontrollen an den Binnengrenzen der EU spielen eine große Rolle beim fortschreitenden Zusammenwachsen der Völker in Europa. Die dadurch ermöglichte und ständig wachsende Mobilität der Menschen erfreut sich hoher Wertschätzung. Es war deshalb richtig, dass sich die Europäische Gemeinschaft schon früh mit der Vereinheitlichung des Führerscheinrechts befasst hat.

1980 – Der Anfang 

Dies geschah mit der ersten Führerscheinrichtlinie 80/1263/EWG vom 4. Dezember 1980. Sie brachte ein verbindliches Führerscheinmuster (rosa), verzichtete jedoch (noch) auf eine inhaltliche Harmonisierung. Die internationalen Klassen A bis E wurden lediglich empfohlen. Weiter waren vorgesehen:

  • die gegenseitige Anerkennung der einzelstaatlichen Führerscheine durch die anderen Mitgliedstaaten
  • und der prüfungsfreie Umtausch bei Verlegung des Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat.

Außerdem enthielt die Richtlinie gewisse Mindestanforderungen an die theoretische und praktische Fahrerlaubnisprüfung sowie Mindeststandards für die körperliche und geistige Tauglichkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen. 

Ein bedeutender Schritt nach vorn

Die bald darauf fortgesetzten Arbeiten mündeten in die zweite Führerscheinrichtlinie 91/439/EWG vom 29. Juli 1991, die ganz entscheidende, grundlegende Harmonisierungsschritte brachte:

  • die verbindliche Einführung der internationalen Führerscheinklassen A bis E,
  • einheitliche Zugangsvoraussetzungen (insbesondere Mindestalter, Wohnsitzerfordernis),
  • einheitliche Mindeststandards für die theoretische und praktische Prüfung,
  • einheitliche Mindestanforderungen an die Kraftfahreignung einschließlich ärztlicher Untersuchungen,
  • die Möglichkeit der Einführung des Kartenführerscheins (Scheckkartenformat), wovon eine Reihe der EU- und EWR-Staaten einschließlich Deutschland Gebrauch machten,
  • die Aufhebung jeglicher Umtauschpflicht innerhalb der EU, selbst bei dauernder Verlegung des Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat.

Der ausdrücklichen Verpflichtung zu einer engen und effizienten Zusammenarbeit mit den anderen Mitgliedstaaten kam Deutschland – wie andere Mitgliedstaaten – durch Errichtung des Zentralen Fahrerlaubnisregisters beim KBA zum 01.01.1999 nach.

2006 – Durchgreifende Neufassung  

In der europäischen Praxis zeigte sich bald, dass noch manches zu tun war. Die zweite Richtlinie war bis 2004 mehrfach ergänzt und geändert worden. Da sich die Notwendigkeit weiterer Anpassungen abzeichnete, empfahl sich eine durchgreifende Neufassung. So kam es zur dritten Führerscheinrichtlinie 2006/126/EG vom 20. Dezember 2006 mit dem Ziel zur

  • Eindämmung des Führerscheintourismus,
  • Schaffung neuer sowie weiteren Vereinheitlichung der Fahrerlaubnisklassen,
  • Einführung einer Gültigkeitsdauer (10 bis 15 Jahre) für Führerscheine (Dokumente), soweit deren Klassen nicht ohnehin bereits auf jeweils fünf Jahre begrenzt sind,
  • verbindlichen Einführung des Kartenführerscheins; Abschaffung des Papierführerscheins,
  • Ersetzung der EU-weit mehr als 110 noch im Umlauf befindlichen Muster von „Altführerscheinen“ bis spätestens 2033, notfalls durch Zwangsumtausch,
  • Vereinheitlichung der Mindestanforderungen für die Fahrerlaubnisprüfung, wobei erstmalig auch Mindestanforderungen an die Qualifikation der Fahrerlaubnisprüfer vorgesehen sind,
  • erstmaligen Festlegung von Mindeststandards für die Schulung bzw. Ausbildung von Führerscheinbewerbern in bestimmten Fällen.

Das Projekt hat weitere Etappen vor sich 

Trotz dieser bedeutenden Fortschritte stehen noch wichtige Harmonisierungsschritte aus. Insbesondere fehlt eine Vereinheitlichung

  • der Sanktionen, zum Beispiel ein einheitliches Punktsystem,
  • der Ausbildung für den Führerscheinerwerb,
  • von Mindeststandards für die Ausbilder bzw. die Fahrlehrer.

Bezüglich der beiden letzten Punkte war „MERIT“ (Minimum European Requirements for Driving Instructor Training) sehr ermutigend. Das 2004 von der EU-Kommission initiierte Projekt, an dem neben anderen auch die Deutsche Fahrlehrer-Akademie e.V. (DFA) und die Europäische Fahrlehrer-Assoziation (EFA) maßgeblich beteiligt waren, wurde 2005 mit einer ausführlichen Studie als Empfehlung an die Europäische Kommission abgeschlossen. In der Studie sind die Eckpunkte der Harmonisierung der Fahrlehrerausbildung und -prüfung dargelegt und eingehend begründet. Doch seitdem ist Brüssel in diesem Bereich nicht mehr erkennbar tätig geworden.

 

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