Im Gespräch: Interview mit Gerhard von Bressensdorf zur beabsichtigten Reform des Fahrlehrerrechts
Artikel aus Newsletter Ausgabe 11, April 2012
Bild: Gerhard von Bressensdorf
„Die Bundesvereinigung wird ihre mit der großen Mehrheit der deutschen Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer erörterten und abgestimmten Vorstellungen und Forderungen zur Reform des Fahrlehrerrechts einbringen und sie in jeder Phase des legislativen Prozesses wohlbegründet vertreten.“
Ww: Herr von Bressensdorf, seit Kurzem liegt ein von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe erstelltes Eckpunktepapier zur Reform des Fahrlehrerrechts vor. Trifft der Inhalt die Forderungen und Wünsche des Berufsstandes?
von Bressensdorf: Wir begrüßen, dass sich zur Vorbereitung der beabsichtigten Gesetzesinitiative Fachleute aus Bund und Ländern getroffen haben, um auszuloten, in welchen Bereichen das Fahrlehrerrecht zu erneuern oder zu ändern ist. Das Papier, an dessen Beratung die Bundesvereinigung in einer ersten Anhörung beteiligt war, ist eine erste in Teilen brauchbare Grundlage, auf der man aufbauen kann.
Ww: Teilweise sind durchgreifende Änderungen des geltenden Rechts vorgesehen. Wie geht es weiter?
von Bressensdorf: Richtig, es geht hier nicht nur um Kosmetik, sondern um eine veritable Reform. Wir rechnen damit, dass noch vor der Sommerpause damit begonnen wird, erste Entwürfe eines Änderungsgesetzes zu erarbeiten.
Ww: Einige Passagen des Papiers erscheinen speziell hinsichtlich der Verantwortlichkeit des Fahrschulinhabers und des verantwortlichen Leiters gegenüber den Fahrschülern widersprüchlich.
von Bressensdorf: Ja, da gibt es Brüche. Die Bundesvereinigung begrüßt ausdrücklich die beabsichtigte Festigung der Gemeinschaftsfahrschule durch die Bestellung eines verantwortlichen Leiters. Auch sind wir für die Zusammenarbeit von Fahrschulinhabern unterschiedlicher Fahrschulerlaubnisse und Lehrbefugnisse in der Gemeinschaftsfahrschule. Wir wenden uns aber entschieden gegen die in Nummer 1 Buchstabe d des Papiers aufgegriffene Idee der Vergabe von Aufträgen an sogenannte „Kooperationsfahrschulen“. Das mag ja vom Ansatz her gut gemeint sein, doch bei Verwirklichung würde ein unkontrollierbares Subunternehmertum entstehen, das nicht den Interessen der Verkehrssicherheit und der Verbraucher entspricht. Es bedarf keiner allzu lebhaften Fantasie sich vorzustellen, wie sich durch die „Vergabe von Aufträgen“ ein schmähliches Schachern um Vermittlungen und Provisionen entwickelt. Fahrausbildung ist ein sensibler Bereich, in dem es vor allem auch um das Vertrauen junger Menschen geht. Dazu würde ein gesetzlich erlaubtes „Verkaufen“ von Fahrschülern auf keinen Fall passen.
Ww: Etwas sperrig und vor allem unverbindlich lässt sich das Papier über die weitere Entwicklung des Berufs im Sinne eines echten Ausbildungsberufs aus. Gab es dazu in der Vergangenheit nicht schon viel Konkreteres von offizieller Seite?
von Bressensdorf: Das ist für mich ein besonders enttäuschender Teil des Papiers. Schon 1997 gab es nahezu gleichlautende Entschließungen des Deutschen Bundestags und des Bundesrats, in denen die Bundesregierung aufgefordert wurde, für den Fahrlehrerberuf ein Konzept zu entwickeln, das aus einer pädagogischen Grundausbildung sowie einer fahrlehrerspezifischen theoretischen und praktischen Ausbildung besteht. Darauf haben wir all die Jahre mit Nachdruck hingewiesen und dazu praktikable Vorschläge unterbreitet. Es geht dabei um adäquate Zugangsvoraussetzungen wie auch um eine pädagogisch geprägte Ausbildung von angemessener Dauer. Die Bundesvereinigung tritt für ein abgerundetes Berufsbild ein, das die künftigen Fahrlehrer für die im gesamten Spektrum der Fahreraus- und Fortbildung erheblich gewachsenen Anforderungen qualifiziert. Hier muss jetzt ein richtiger, längst fälliger Schritt nach vorn getan werden.
Ww: Enttäuschend muss für Sie auch sein, dass weiterhin vom Erlass einer Ausführungsverordnung zur freiwilligen Qualitätssicherung in Fahrschulen abgesehen werden soll.
von Bressensdorf: Wir verstehen nicht, weshalb dem Beruf ein freiwilliges, in seinen Anforderungen durch Verordnung geregeltes Qualitätsmanagement vorenthalten wird. Die gesetzliche Grundlage dafür besteht schon seit 1998. Die Fahrlehrerschaft hat damals die Einführung eines, wie es im Fahrlehrergesetz heißt, Qualitätssicherungssystems als den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers verstanden, der Qualitätssteigerung in den Fahrschulen dauerhaften Ansporn zu geben. Der Berufsstand hat seitdem erfolgreiche Anstrengungen unternommen, ein spezifisch auf die Fahrausbildung zugeschnittenes Qualitätsmanagement zu entwickeln. Unsere Enttäuschung über das Zögern des Verordnungsgebers ist groß. Umso mehr, als der Bundesverkehrsminister soeben für sein neues Punktesystem die Einführung einer Qualitätssicherung ankündigte. Wenn die Qualität repressiver Maßnahmen gesichert werden muss, warum dann nicht auch die der Prävention?
Ww: Entbürokratisierung ist ein weiteres Kapitel des Papiers. Darüber, worauf im Einzelnen künftig verzichtet werden soll, lässt sich bestimmt trefflich streiten. Aber kann die Ausbildungsbescheinigung ohne Schaden in den Ausbildungsnachweis nach § 18 Absatz 1 Fahrlehrergesetz integriert werden und als eigenständige Bescheinigung entfallen?
von Bressensdorf: Wir glauben, das ist machbar. Aber wir sind hier noch nicht am Ende unserer Überlegungen angelangt. Allgemein halte ich es für geboten, bei der sogenannten Entbürokratisierung sehr behutsam vorzugehen, denn als die Bestimmungen eingeführt wurden, hatte man sich etwas dabei gedacht. Was gestrichen wird, ist weg und könnte sich hinterher als Fehler entpuppen.
Ww: Optimales Wirtschaften, so entnimmt man es immer wieder unabhängigen Expertisen, sei nicht unbedingt eine erste Tugend der Fahrschulen. Die Bundesvereinigung verlangt seit Langem sehr dringlich eine verbesserte betriebswirtschaftliche Ausbildung und eine Prüfung der angehenden Fahrschulinhaber. Darüber steht im Eckpunktepapier nichts.
von Bressensdorf: Wir geben da nicht nach. Unsere berechtigte Forderung nach besserer Vorbereitung der angehenden Fahrschulinhaber/verantwortlichen Leiter bleibt auf der Tagesordnung. Wir werden sie deshalb mit Nachdruck sowohl gegenüber den Ministerien als auch im parlamentarischen Raum vertreten und begründen. Leider gibt es hier von bestimmten Gruppen harschen Gegenwind. Sie machen sich vorgeblich Sorgen um die freie Berufswahl, in Wahrheit jedoch geht es um ihr eigenes egoistisches Süppchen. Im Übrigen ist das vorliegende Eckpunktepapier nur ein erster Schritt, dem weitere, profundere folgen müssen. Die Bundesvereinigung wird ihre mit der großen Mehrheit der deutschen Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer erörterten und abgestimmten Vorstellungen und Forderungen zur Reform des Fahrlehrerrechts einbringen und sie in jeder Phase des legislativen Prozesses wohlbegründet vertreten.
Ww: Das Papier widmet der Förderung der Elektromobilität einen gewichtigen Abschnitt. Neben anderen Forderungen soll exklusiv für Führerscheinbewerber, die auf einem Elektro- oder Hybridauto geprüft werden, der beschränkende Automatikeintrag wegfallen. Ist das mit Blick auf Automatikfahrzeuge mit Verbrennungsmotor nicht etwas einseitig gedacht?
von Bressensdorf: Vor noch nicht allzu langer Zeit war E-Mobilität nur ein Zukunftsthema, jetzt ist es ein Gegenwartsthema, und zwar zu Recht. Trotzdem ist es äußerst verwunderlich, dass hinsichtlich des Automatikeintrags für die Nutzung elektrisch oder teilelektrisch angetriebener Lehrfahrzeuge ein Privileg eingeführt werden soll. Wenn es bezüglich des m. E. etwas fragwürdig gewordenen Automatikeintrags künftig einen tragfähigen Kompromiss geben soll, dann muss das auf europäischer Ebene geschehen und für alle Fahrzeuge ohne Kupplungspedal gelten. Diesel-Pkw mit Doppelkupplungsgetriebe sind reine Sparwunder, das sollte man in dieser Diskussion nicht vergessen. Und man darf auch nicht vergessen, dass, auch wenn 2020 tatsächlich eine Million E-Fahrzeuge auf den deutschen Straßen unterwegs sein sollten, sparsame Verbrennungsmotoren noch ein langes Leben haben werden.
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Zur Person
Gerhard von Bressensdorf ist seit 1994 Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V., der 18 Landesverbände mit insgesamt 16.000 Mitgliedern angehören. Seit 2003 ist von Bressensdorf auch Präsident der Europäischen Fahrlehrer Assoziation (EFA), die 25 nationale Fahrlehrerverbände und drei assoziierte Mitglieder umfasst. Er arbeitet darüber hinaus in namhaften nationalen und internationalen Gremien der Verkehrssicherheit mit und gilt als überzeugter Befürworter und Wahrer qualitätvoller professioneller Fahrausbildung. Während seiner bisherigen Amtszeit kam es in Deutschland mehrfach zu richtungsweisenden Neuerungen des Fahrlehrer-, Ausbildungs- und Fahrerlaubnisrechts, an denen von Bressensdorf maßgeblich mitgewirkt hat.