Matthias Wimpff: Passen qualitätvolle Fahrausbildung und wirtschaftlicher Erfolg unter einen Hut?
Artikel aus Newsletter Ausgabe 10, November 2011
Bild: Matthias Wimpff
Diese Frage ist eigentlich leicht zu beantworten: Nur eine wirtschaftlich erfolgreiche Fahrschule kann auch qualitätvolle Fahrausbildung gewährleisten. Doch ganz so einfach ist es in praxi freilich nicht.
Fahrschulen sind Teil der Marktwirtschaft. Dabei handelt es sich in der Regel um kleine bis sehr kleine, von Inhabern geführte Betriebe. Schon die dem Fahrlehrergesetz von 1969 vorausgegangene „Verordnung über Fahrlehrer im Kraftfahrzeugverkehr“ wies den Fahrschulen den öffentlichen Auftrag zu, Bewerber um die Fahrerlaubnis auszubilden. Mit der 1986 erfolgten Abschaffung der sog. Laienausbildung bekannte sich der Gesetzgeber zur professionellen Schulung der Fahrschüler. Eigentlich eine schöne heile Welt, wäre da nicht der Markt mit seinem teils hitzigen Wettbewerb.
Die wirtschaftliche Großwetterlage
Richten wir den Blick auf das Heute. Wir leben in bewegten wirtschaftlichen Zeiten. Die deutschen Automobilhersteller fahren Rekordergebnisse ein. Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig, wie seit Jahren nicht mehr, und das Zinsniveau ist schon seit Langem auf historischem Tiefstand. An den Finanzmärkten wird – wie vor der großen Krise – schon wieder gewettet und gepokert. Am europäischen Horizont ziehen dunkle Wolken einer neuen Finanzkrise auf. Und wie geht’s der Fahrschulbranche in solchen Zeiten?
Fahrschulen haben oft eine eigene, regionale Konjunktur
Ob Boom oder Baisse, auf die Fahrschulen in Deutschland wirkt sich das Auf und Ab – jedenfalls bis heute – weniger stark aus als auf die meisten anderen Wirtschaftszweige. Der Erwerb des Führerscheins hat seit Jahrzehnten einen sehr hohen, stabilen Stellenwert. Doch das sagt nichts über die der Branche drohenden Risiken, denn bekanntlich wird die Nachfrage nach Führerscheinen bestimmter Klassen, z.B. den Motorradklassen, immer dürftiger. Hinzu kommt in den nächsten zehn Jahren die demografisch bedingte Abnahme der potenziellen Führerscheinanwärter. Das Preisgefüge ist regional sehr unterschiedlich und von durchgreifender Konsolidierung weiter entfernt denn je. So beobachtet man z.B. für eine normale Fahrstunde (45 Min.) der Klasse B Preisunterschiede von mehr als 50 Prozent. Im Zeitraum von fünf Jahren (30.06. 2006 bis 30.06.2011) erhöhte sich nach zuverlässigen bundesweiten Erhebungen der Durchschnittspreis für eine Fahrstunde der Klasse B von 31,40 Euro auf nur 32,22 Euro. Das ist gemessen an der in diesem Zeitraum erfolgten Lohnentwicklung, der Inflationsrate und der Treibstoffpreise bei Weitem zu wenig.
Wirtschaftliche Lage und Finanzierung der Fahrschulen
In Deutschland gibt es rund 11.000 Fahrschulen. Mehr als die Hälfte dieser Betriebe erwirtschaftet nur einen Jahresumsatz von bis zu 100.000 Euro. Was verdienen diese Fahrschulen? Der Gewinn lag in dieser Umsatzkategorie im vergangenen Jahr bei ca. 38 Prozent. Weitere 30 Prozent der Betriebe generieren einen Jahresumsatz von bis zu 300.000 Euro; hier lag der Gewinn bei ca. 30 Prozent und somit im Mittelwert bei 67.500 Euro. Ein schon wesentlich kleinerer Kreis von Fahrschulen hat in 2010 einen Umsatz bis zu einer Million Euro erwirtschaftet; hier lag der Gewinn bei rund 24 Prozent (alles EBT). Obwohl es sich bei diesen Zahlen nur um Durchschnittswerte handelt, wird deutlich, dass die Ertragslage, insbesondere bei den kleinen Fahrschulen, mehr als angespannt, ja oft ungenügend ist.
Von den zurzeit günstigen Finanzierungskonditionen (Motto: „Geld ist so billig wie noch nie!“) profitieren die Fahrschulen in der Regel nicht, denn deren Finanzierung bewegt sich auf einem Zinsniveau von 8 bis 12 Prozent. Warum? Weil ein Großteil der Fahrschulbetriebe in Deutschland zu den kleingewerblichen Unternehmen zählt, die sich mangels solider Pfänder vielfach über teure Kontokorrent- und Ratenkredite finanzieren müssen.
Wirtschaftlicher Erfolg basiert auf qualitätvoller Ausbildung
Ob es sich um einen kleinen, mittleren oder großen Fahrschulbetrieb handelt, für den wirtschaftlichen Erfolg ist immer eine vernünftige Preiskalkulation entscheidend. Und „gute“ Preise lassen sich am Markt nur dann erzielen, wenn die Ware, in diesem Fall die Dienstleistung, ihren Preis wert ist. Etwas salopp ausgedrückt: Jede Fahrschule bekommt die Fahrschüler, die sie verdient. Übrigens, gerade Fahrschulen, die sich deutlich vom unteren Preisniveau abheben, erfreuen sich meist größeren Zuspruchs als ihre Konkurrenten, die nur „billig“ können. Und das ist auch gut so.
Die Fahrschule als erfolgreiches Unternehmen
Für den zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg sind Hinwendung zur Spezialisierung, sorgsame Standortwahl (namentlich für Filialen!) und die ernsthafte Erwägung von Kooperationen von entscheidender Bedeutung. Gutes Fuhrparkmanagement, überlegte Personalplanung und -steuerung sind weitere wichtige Voraussetzungen für erfolgreiche Fahrschulführung. Natürlich müssen auch Fahrschulen immer über aktuelle betriebswirtschaftliche Zahlen verfügen und die entscheidenden Kennzahlen ihres Betriebs parat haben. Nur so treten sie gegenüber Banken und dem Finanzamt als ernst zu nehmende Gesprächspartner auf.
Erwartungen der Kunden
Fahrschüler haben eine hohe Erwartungshaltung an die Dienstleistungen der Fahrschule. Preis- und Leistungsvergleiche sind heute so einfach wie noch nie, denn auch das so wichtige Empfehlungsgeschäft läuft digital und ist Teil der Social Media geworden. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts werden rund 80 Prozent der deutschen Bevölkerung in den Ballungsgebieten leben. Das wird bei Fahrschulen zu einem Konzentrationsprozess führen.
Strukturveränderungen der Branche
Es gibt, anders als man es manchmal hört, nicht zu viele Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer, sondern eindeutig zu viele kleine Fahrschulen. Da auch sie Teil des Marktes sind, wird sich hier in den nächsten Jahren ein mehr oder weniger schmerzlicher Anpassungsprozess vollziehen. Weil viele Fahrschulen ihre Kosten zwangsläufig schon bis zur Schmerzgrenze gedrückt haben, können Zukunftsinvestitionen nur im Rahmen einer vernünftigen Gewinnkalkulation realisiert werden.
Qualitätvolle Fahrausbildung und wirtschaftlicher Erfolg stehen nicht per se im Widerspruch. Entscheidend sind letztlich der Wille und die Kompetenz des Fahrschulinhabers, neben einem guten Lehrer auch ein guter Kaufmann zu sein. Das gelingt, wie wir wissen, leider noch nicht oft genug.
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Zur Person
Matthias Wimpff, 55, ist ein Kaufmann alter Schule und als solcher Vorstandsmitglied der ACADEMY Holding AG und Geschäftsführer der Tochtergesellschaft DATAPART Factoring GmbH mit Sitz in Ludwigsburg. Das Unternehmen ist vor allem im Bereich Franchise und Finanzdienstleistungen tätig. In Deutschland sind rund 1.000 Fahrschulbetriebe Vertragspartner von ACADEMY. Wimpff pflegt intensive Nähe zu seinen Kunden und ist deshalb mit dem Status quo, den Indizes und Entwicklungen der Branche äußerst vertraut.