Mathias Rüdel: Die Weiterentwicklung der Fahrerlaubnisprüfung in Deutschland

Artikel aus Newsletter Ausgabe 10, November 2011

Bild: Mathias RüdelMathias Rüdel

Ende der 1990er Jahre ließen die Verkehrsunfallzahlen einen kontinuierlichen Rückgang der im Straßenverkehr Verletzten und Getöteten erkennen. Der allgemeine Trend übertrug sich jedoch nicht auf die Fahranfänger. Ihr Risiko, im Straßenverkehr verletzt oder getötet zu werden, blieb weiterhin ein mehrfach höheres als das erfahrener Kraftfahrer.

Die professionelle Fahrausbildung und die unabhängige Fahrerlaubnisprüfung leisten einen entscheidenden Beitrag zur Minderung des hohen Unfallrisikos der Fahranfänger. Das in Deutschland seit mehr als 100 Jahren praktizierte System der geteilten Aufgaben hat sich dank stetiger Anpassungen an neue Anforderungen aus den Bereichen Mensch, Technik und Umwelt bewährt.

Selektions- und Orientierungsfunktion  

Die Fahrerlaubnisprüfung hat für das Gesamtsystem der Fahranfängervorbereitung große Bedeutung: Einerseits dient sie dazu, nur Fahranfänger mit ausreichender Befähigung zur motorisierten Teilnahme am Straßenverkehr zuzulassen („Selektionsfunktion“). Andererseits stellen die Prüfungsinhalte, Bewertungskriterien und Prüfungsergebnisse wichtige Orientierungspunkte für die Ausrichtung der Fahrausbildung und der individuellen Lernprozesse der Fahranfänger dar („Steuerungsfunktion“).

Qualitätsmanagement

Mit der bundesweiten Einführung der computergestützten Prüfung zum 01.01.2010 wurde ein spezielles Qualitätsmanagementsystem eingeführt, mit dem die Qualität der theoretischen Fahrerlaubnisprüfung (TFEP) kontinuierlich evaluiert und optimiert wird. Dieses System beruht auf der wissenschaftlichen Auswertung aller Prüfungsergebnisse und entsprechenden Überarbeitungsempfehlungen. Potenziale zur Optimierung wurden bisher vor allem bezüglich der Verringerung der zur Aufgabenbearbeitung erforderlichen Lesekompetenzen sowie bezüglich der Verringerung von Lösungshinweisen in den Fragestellungen und Antwortalternativen identifiziert. In einem weiteren Schritt wurde damit begonnen, die Reihenfolge der Auswahlantworten einer Aufgabe wie auch der Aufgaben innerhalb eines Bogens zu variieren. Dadurch können Manipulationen, die auf der Kenntnis des Lösungsmusters einzelner Bogen und Aufgaben beruhen, wirkungsvoll verhindert werden. Die Erweiterung der Darstellungsformate und insbesondere der Instruktionsformate durch neuartige visuelle Illustrationsmöglichkeiten stellt deshalb den nächsten Schritt zur Optimierung der TFEP dar. 

Oberflächlichem Auswendiglernen vorbeugen  

Zur Erweiterung der Instruktionsformate sind zwei Schritte vorgesehen. Im ersten Schritt sollen die bisher verwendeten Fotos und Grafiken durch computergenerierte Abbildungen ersetzt werden. Daraus ergeben sich folgende Vorteile: Die bisher verwendeten Fotos ließen sich nur mit sehr hohem Aufwand erstellen oder aktualisieren, da die entsprechenden Situationen einschließlich der Verkehrsteilnehmerkonstellationen im Realverkehr vorgefunden oder gestellt werden mussten. Die computergenerierten Abbildungen lassen sich dagegen effizient erstellen und anschließend kontinuierlich aktualisieren. Darüber hinaus kann die Komplexität der abgebildeten Verkehrssituationen an die Zielstellung der entsprechenden Aufgabe angepasst werden. Durch die Veränderung der dargestellten Objekte bzw. des Verkehrsumfeldes (ohne die grundlegenden Inhalte der Verkehrssituation zu verändern) kann dem schematischen Auswendiglernen vorgebeugt werden. Der Bewerber erkennt in der Prüfung ein bestimmtes Bild nicht sofort wieder und muss sich daher inhaltlich mit der dargestellten Verkehrssituation auseinandersetzen, um die entsprechende Aufgabe richtig zu lösen. Aufgrund eines Beschlusses von Bund und Ländern wurden daher zum 01.07.2011 alle 160 bisher in der TFEP verwendeten Fotos und Grafiken zur Darstellung von Verkehrssituationen durch computergenerierte Abbildungen ersetzt. Im zweiten Schritt – ab 2012 – soll der Aufgabenkatalog der TFEP durch Aufgaben ergänzt werden, bei denen computergenerierte Videosequenzen zur Veranschaulichung der zugrunde liegenden Verkehrssituation genutzt werden. Daraus ergeben sich überdies folgende zusätzliche Vorteile: Statische Abbildungen müssen heute zur Illustration komplexerer Verkehrssituationen bzw. zur Erläuterung zeitlicher Situationsverläufe häufig durch textuelle Beschreibungen ergänzt werden, welche die Leseanforderungen erhöhen oder Lösungshinweise beinhalten. Mit dynamischen Illustrationen lassen sich dagegen auch komplexere Verkehrssituationen und zeitliche Verläufe selbsterklärend darstellen. Darüber hinaus lassen sich in dynamischen Darstellungen auch Gefahrenreize im Situationsverlauf darstellen. Damit lassen sich Aspekte der Fahrkompetenz wie Situationswahrnehmung und Gefahrenerkennung auf vielfältige Weise erfassen, zugleich kann die Validität der Aufgaben erhöht werden. Derzeit laufen bei der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) weitere Forschungsarbeiten zu Verkehrswahrnehmungstests, in denen die Reaktionszeit des Bewerbers auf bestimmte Gefahrenreize erfasst wird.

Optimierung der praktischen Fahrerlaubnisprüfung  

Ein wichtiges Element der Arbeiten zur Optimierung der praktischen Fahrerlaubnisprüfung (PFEP) stellt die derzeitige Entwicklung eines elektronischen Prüfprotokolls dar. Damit soll unter anderem für Sachverständige, Bewerber und Fahrlehrer mehr Transparenz und ein differenzierteres Rückmeldesystem der zu prüfenden Anforderungen erzielt werden. Zudem soll das e-Prüfprotokoll die Prüfungsdokumentation für den Sachverständigen, insbesondere die Verhaltensbeobachtung während der Prüfungsfahrt, vereinfachen und differenzieren und so die abschließende Prüfungsentscheidung erleichtern. Darüber hinaus stellt das e-Prüfprotokoll mit dessen kompetenzbezogener Bewertung der Prüfungsleistung die Basis für eine wissenschaftliche Evaluation der praktischen Fahrerlaubnisprüfung und damit für eine fortwährende Optimierung der PFEP dar. Folglich können durch die Evaluationsergebnisse im Zusammenhang mit Rückschlüssen aus Unfallanalysen notwendige Anpassungen der Prüfungsanforderungen effizient ermöglicht werden.

Zusammenarbeit  

Diese Entwicklungen – sowohl die bisherigen als auch die künftigen – sind nur in enger Zusammenarbeit aller mit Fragen der Fahrerlaubnisprüfung befassten Stellen möglich. Das sind die zuständigen Behörden von Bund und Ländern, die BASt, die Technischen Prüfstellen, die Fahrlehrerschaft und die Wissenschaft. Nur so können tragfähige Lösungen im Sinne einer optimierten Fahranfängervorbereitung entwickelt und umgesetzt werden.

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Zur Person

Diplom-Ingenieur Mathias Rüdel hat nach dem Studium des Maschinenbaus als Prüfingenieur und amtlich anerkannter Sachverständiger bei der TÜV NORD Mobilität GmbH & Co. KG gearbeitet. Seit 2004 gehört Rüdel der u.a. mit Zukunftsplanungen befassten Arbeitsgruppe TÜV|DEKRA arge tp 21 an, die er seit 2008 als Geschäftsführer leitet.

 

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